Hallo Christian,
du hast so ziemlich die problematischste Kombination ausgesucht.
Nun, es gibt trotzdem Wege, die beiden Dateien zu verbinden. Zuerst gibt es einige Fragen, die beantworten werden müssen.
1. Welche Datei soll zur anderen angepasst werden oder - noch viel besser - auf welche Geschwindigkeit "einigt" man sich, die vielleicht genau in der Mitte liegt? Das Problem ist nämlich, dass eine Anpassung der einen Datei zur anderen mal eben 150% höhere Playrate bedeuten könnte. Und das ist bei Audiodateien definitiv zu viel, um noch ohne Artefakte getreckt werden zu können. Es geht, aber mit Einbußen!
2. Welche Rolle soll die Tonart bzw. die Melodie spielen? Wenn du zwei Audiodateien wie diese übereinander lagerst, bekommst du mehr oder weniger Kauderwelch, weil sich die Melodien und Grundtöne überlagern und nicht harmonieren.
3. Gibt es in den Dateien Grooves? Das wäre extrem problematisch, da man in dem Fall zwar die Grundtempi anpassen könnte, allerdings nicht die sich im Rhythmus befindlichen Verzögerungen schnellerer Natur wie 16tel Swing etc.
4. Wurden für die Audioaufnahmen Metronome verwendet bzw. feste Tempi eingehalten oder stammen sie von Live Auftritten, bei denen Schwankungen durch den Drummer auftreten?
Wenn all die Fragen geklärt wären, würde ich folgendermaßen vorgehen:
-Zuerst müsste man das Grundtempo der Dateien herausfinden. Dafür importierst du die Dateien in Reaper (pro track), gehst mit einem Rechtsklick auf die Item Settings und stellst auf Timebase "
Time" Das verhindert, dass die Items nachher bei Tempoänderungen in Reaper mit angepasst (gestreckt oder gestaucht) werden. (Das wollen wir ja per Hand machen.) Als nächstes lässt du die Dateien einzeln abspielen (track solo) und zählst die Takte mit. Wenn du auf den Einser-Takt kommst, drückst du einmal die M-Taste, womit während des Abspielens ein Marker gesetzt wird. Lass weiter laufen und zähle die Takte, bis du vier mal durch bist und beim nächsten Einer-Takt (Beat) wieder auf M drückst. Jetzt kannst du stoppen und hast zwei Marker. Klicke in der Zeitleiste einmal doppelt zwischen die beiden Marker, um eine Zeitselektion zu erstellen. Und zuguterletzt gehst du neben den Playtasten (oder irgendwo anders, je nach Template) auf die Selektionsdaten. Drei Werte werden dort angezeigt. Hältst du die Maus über den letzten Wert, berechnet dir Reaper automatisch die Geschwindigkeit und zeigt sie in zwei Werten (doppelt oder halbiert) an.
So, das war viel Text für eine Sache, die eigentlich nur eine Minute dauert.
-Mit den Geschwindigkeiten könnte man nun anfangen zu rechnen. Bei Madeleine Peyroux komme ich auf 116 oder 232 bpm. Da müsste man sich natürlich für den ersten Wert entscheiden. (Vorausgesetzt, man möchte sie als Basis verwenden.) Nun muss man nichts anderes tun als das Projekttempo auf 116 bpm zu stellen und die Datei so am Raster auszurichten, dass der erste Takt auf einen "Beat" im Raster trifft. Ist das geschehen, kann man auf Play drücken und das Metronom einschalten, um alles genau im Takt vorzufinden.
Danach kommt der etwas schwierigere Part, der aber nur etwas Logik und Übung verlangt. Die zweite Datei ist ziemlich schwer zu zählen, da sie immer vor dem Einser Takt eine 1/8 Snare davor geknallt bekommt. Da muss man aufpassen oder eben genau auf die Kickdrum achten. Vier Takte bedeuten bei Till Brönner 83,5 oder 167 bpm. Und da erkennt man schon, dass das extrem von 116 bpm abweicht. Also entweder müssen wir das Tempo von Brönner nun stark verlangsamen oder stark erhöhen, um es genau anzupassen. Aber wie bekommen wir das nun raus? Ganz einfach, mit Mathematik!
Die Playrate, die jedes Item in den Properties stehen hat, ist nämlich nichts anderes als der Faktor oder der Quotient von Projekttempo und Audiotempo. Hätte die Brönner Audiodatei ein Tempo von 116 bpm, könnten wir alles lassen und die Playrate auf 1 lassen, da 116/116 gleich 1 ist. Und da kommen wir auch schon auf des Pudels Kern. Teilen wir die 116 bpm durch die 83,5 bpm kommen wir auf einen Quotienten von 1,39. Wir müssen also die langsamen 83,5 bpm mal 1,39 nehmen, um sie auf 116 zu bekommen. Und das ist es auch schon!
In dem Fall ginge man in die Item properties des Brönner Items und ändere die Playrate auf 1.39. Nach "Apply" oder "Ok" wird das Item gestretcht oder gestaucht. Und nun müsste es nur noch synchron ausgerichtet werden.
Dafür den Einser-Takt ausfindig machen (auf die Wellenformdarstellung des Items achten) und dann mit dem Einser-Takt der anderen Datei ausrichten.
Puh!
Damit hätte wir die erste Version, in der die Brönner Datei viel schneller laufen würde. Im zweiten Fall nähmen wir einfach die doppelte Geschwindigkeit von 167 bpm. 116/167 bpm = 0,694. Gäben wir nun 0,694 als Playrate in den Properties des Brönner Items ein, würde sie langsamer laufen aber wieder genau zu 116 bpm passen.
Und die letzte, vermutlich beste Variante wäre, sich entweder zwischen 167 und 116 zu treffen oder zwischen 83,5 und 116, um die Dateien nicht zu sehr zu strecken bzw. zu stauchen.
So, hier im Anhang befinden sich die zwei Beispiele. Sie haben mich keine 5 Minuten gekostet, im Gegensatz zu diesem Text.
Ich weiß, dass das für viele ein problematisches Thema ist, aber im Grunde ist es wirklich einfach. Man muss nur wissen, wie es geht. Falls du mit der BEschreibung nicht zurecht kommst, Versuche ich vielleicht noch ein paar Screenshot zu machen, die das etwas besser erklären.
Liebe Grüße
Eli